Wirtschaftliche Verhältnisse: Gemeinde Gärtringen

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Wirtschaftliche Verhältnisse in der Neuzeit (seit 1850)

In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die wirtschaftlichen Verhältnisse Rohraus verschiedenfachen Änderungen unterworfen. Das uralte Weidrecht im Herrschaftswald wurde als forstordnungswidrig entschädigungslos aufgehoben, und die Holzrechte des Lehenshofes wurden mit Geld abgelöst. Die wiederholten Bitten der Rohrauer, gleich den anderen Schönbuchgemeinden mit Wald entschädigt zu werden, wurden von der zuständigen königlichen Kommission abgelehnt. Dazu kamen die Mißwachsjahre, wie es die Jahre 1850 – 1860 fast durchweg waren, die in der Hauptsache dazu beitrugen, dass sich die Armut der ohnehin schon mit wenigen Ausnahmen in sehr bescheidenen und dürftigen Vermögensverhältnissen lebenden Einwohner noch mehr steigerte.

Alte Leute wussten viel von der damaligen Hungersnot zu berichten, die auch im hiesigen Ort geherrscht hat, da das Getreide und auch die Kartoffeln in jenen Jahren völlig missrieten. Diese drückende Armut wurde dazu noch durch das rasche Anwachsen der Bevölkerung ins Unermessliche gefördert. Dies führte dazu, dass im Jahre 1840 in Rohrau in 52 Wohngebäuden nicht weniger als 503 Menschen, also fast zehn Einwohner in einem Haus, wohnten. Nur schwer können wir uns einen Begriff von der sozialen Not jener Zeit machen. So wundert es uns nicht, dass gerade in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Zahl von Rohrauern das Heil in der Auswanderung nach Amerika, Polen und in die Schweiz gesucht hat. Unter den 52 Leuten, die um diese Zeit über das große Wasser zogen, finden wir hauptsächlich ältere Leute mit ihren Familien. Thomas Schmid verließ mit 66 Jahren noch für immer die Heimat. Erst später folgten einige junge Burschen, meist Handwerksgesellen, nach. Andere verließen ihre Heimat, um sich in der Umgebung niederzulassen.

Zu jener Zeit waren die Güter schwer verkäuflich und sie wurden zu Schleuderpreisen abgesetzt. Als jedoch nach dem für Deutschland günstig verlaufenden Feldzug im Jahre 1870/71 im deutschen Reich allgemein ein wirtschaftlicher Aufschwung eintrat, gestalteten sich auch die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Bewohner Rohraus wieder günstiger, sodass die Güterpreise rasch wieder in die Höhe gingen. Dem Ackerbau wurde mehr Aufmerksamkeit geschenkt, bessere Pflüge und Eggen wurden angeschafft. Der Rotklee bürgerte sich immer mehr ein und an Stelle der Dreifelderwirtschaft mit reiner Brache (Ruhejahr) trat die verbesserte Dreifelderwirtschaft mit angeblümter Brache.

In der Brache wurde neben Rotklee namentlich Kartoffeln, Runkelrüben und Zuckerrüben angebaut, während der Anbau von Flachs und Hanf, der früher eine wesentliche Rolle spielte, kaum noch von Bedeutung war. Als Handelsgewächse wurden neben Zuckerrüben auch noch einige Hektar mit Hopfen bebaut. Gezwungen durch die Verhältnisse waren die Bauern auch genötigt, ihr Augenmerk auf bessere Düngung zu richten. Größere und zweckentsprechende Düngerstätten und Düngergruben wurden angelegt und nebenbei noch ziemlich viel künstlicher Dünger, namentlich Fäkaldünger, verwendet, sodass sich die Roherträge der Grundstücke wesentlich steigerten.

Am 30.06.1880 wurde Rohrau während der Heuernte von einem furchtbaren Hagelwetter heimgesucht, durch das die gesamte Ernte total vernichtet wurde. Ganz besonders mitgenommen wurde der Lerchenberg, der mit Winterfrucht bestellt war. Im Jahre 1892 wurde auf Veranlassung des damaligen Lehrers Laun als ein Mittel zur Selbsthilfe für die Not leidende Landwirtschaft ein Darlehenskassenverein als eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung gegründet, der die Aufgabe hatte, der Einwohnerschaft einerseits mit kurzfristigen Darlehen auszuhelfen, andererseits sollte er aber auch den Einwohnern die Möglichkeit bieten, ihre Gelder verzinslich anzulegen.

Von 1901 bis 1902 wurde die erste Flurbereinigung durchgeführt. Bereinigt wurden die Hofäcker bis zum Mühlweg, weiter die Gewande Wegländer, Zaunäcker, Zeltner, Schneckenäcker, Brühläcker und Spitzäcker. Die Durchführung dieser Bereinigung war dringend notwendig, denn es gab hier Äcker, die fast 1 km lang, aber nur 3-4 Meter breit waren. In der Viehhaltung ist seit der Schaffung einer Ablieferungsmöglichkeit für Frischmilch, insbesondere seit der Gründung der Molkereigenossenschaft im Jahr 1908, insofern eine Änderung eingetreten, als die Zahl der Milchkühe beträchtlich angestiegen ist, während in früheren Zeiten das Schwergewicht auf der Haltung von Schlachtvieh gelegen hatte.

Einen guten Einblick in die damaligen schlechten landwirtschaftlichen Verhältnisse verschafft uns die Oberamtsbeschreibung von 1855: „Die verhältnismäßig nicht unbedeutende Markung hat im allgemeinen einen minder fruchtbaren, meist strengen Tonboden, der als eine Verwitterung des Keupermergels zu betrachten und schwer zu bebauen ist. Nur nördlich vom Ort besteht der Boden aus einem ziemlich fruchtbaren Lehm, dem der Keupermergel zur Unterlage dient.

Zu diesen minder ergiebigen Bodenverhältnissen gesellt sich überdies noch ein ungünstiges Klima, indem Frühlingsfröste und kalte Nebel nicht nur häufig dem Obst, sondern auch zuweilen dem Dinkel in der Blüte schaden. Hagelschlag kommt nicht selten vor.

Unter diesen von Natur ungünstigen Verhältnissen ist es wohl erklärlich, dass die Landwirtschaft trotz der Emsigkeit der Einwohner dennoch auf keiner blühenden Stufe steht. Indessen wird die Rindviehzucht durch einen ziemlich ausgedehnten und ertragreichen Wiesenbau kräftig unterstützt und bildet eine Hauptnahrungsquelle der Einwohner. Landwirtschaftliche Neuerungen finden nur langsam Eingang, und der deutsche Wendepflug ist noch immer beinahe allgemein im Gebrauch. Auch die Düngerstätten sind noch nach der früheren Weise angelegt, obwohl für die Gewinnung der Jauche manches getan wird. Zur Erhaltung und Verbesserung des düngerbedürftigen Bodens wird außer den gewöhnlichen Düngemitteln Gips, Asche, Hallerde und der aus den Wassergräben ausgeschlagene Schlamm benützt, welcher wegen der ihm beigemengten Gips- und Salzteile als Dünger sehr gesucht ist.

Nach der Dreifelderwirtschaft baut man Dinkel, Gerste, Hafer und ziemlich viel Einkorn, welch letzteres sehr gut gedeiht. Kartoffeln werden im Haferfeld und Ackerbohnen gemeinschaftlich mit dem Hafer gebaut. Hanf und Kraut zieht man in einigen Ländern; der Repsbau ist ganz unbedeutend. Die Brache wird beinahe gar nicht angeblümt. Der Morgen Acker, auf den man 7 Simri Dinkel, 3 Simri Gerste, 4 Simri Hafer und ebensoviel Einkorn als Aussaat rechnet, trägt durchschnittlich 7 bis 8 Scheffel Dinkel, 3 bis 4 Scheffel Gerste, 5 bis 6 Scheffel Hafer und 6 Scheffel Einkorn. Die höchsten Ackerpreise per Morgen sind 200 bis 300 fl., die mittleren 150 fl. Und die geringsten 30 bis 40 fl. Der Getreideabsatz nach außen ist von geringem Belang. Der größte Güterbesitz besteht in 30 Morgen.

Die Wiesen, die nicht bewässert werden, jedoch durchgängig zweimähdig sind, liefern sehr gutes Futter, von dem zuweilen nach außen verkauft wird. Der durchschnittliche Ertrag wird zu 25 Zentner Heu und 12 Zentner Öhmd per Morgen angegeben. Die Preise eines Morgen bewegen sich von 200 bis 300 fl. Die Obstzucht wird nicht nur wegen des ungünstigen Klimas, sondern auch wegen des vorherrschenden, hitzigen Keupermergelbodens in geringer Ausdehnung betrieben und liefert nur Mostsorten und etwas Zwetschgen.   Die Rindviehzucht, in einer kräftigen, meist gelbroten Landrasse bestehend, ist beträchtlich: 2 Schweizerfarren, denen schön öfters der Preis auf dem landwirtschaftlichen Feste zu Herrenberg zukam, hält ein Ortsbürger gegen die Nutznießung von 7/8 Morgen Wiesen, 8 freien Pferchnächten und jährlich 30 fl. Geld aus der Gemeindekasse. Mit Vieh, namentlich mit Mastvieh, wie auch mit Butter wird ein ziemlich lebhafter Handel getrieben.

Die Zucht der Schweine wie die der Ziegen ist unbedeutend. Dagegen wird in namhafter Ausdehnung Geflügel gehalten und mit diesem wie mit Eiern einiger Handel getrieben.

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